Glauben spüren, Weite wagen
... breit\' den Mantel aus ... Glauben spüren - Weite wagen
Egbert Verbeek, Mantelkind (Entwurfsstudie), 2000 (3)
Mantelkind, Detail
Das Mantelkind im Logo der Liebfrauenschule (2009)
Das Mantelkind im aktuellen Logo der Liebfrauenschule

Das Mantelkind

Die Skulptur E. Verbeeks vor der Liebfrauenschule

 

Der weite Mantel -
Marias weiter Mantel ist Raum, Schutz, Wärme.
Aus seinen Falten wächst das Kind.
Denn gleichzeitig ist der Mantel Erdmantel -
die hauchdünne lebendige Schicht
zwischen unendlichem Raum und glühender Materie -
umgrenzter und doch weiter Spielraum für das Leben.
Ohne Schutzmantel kein Kind
und ohne das KIND kein Ausblick, keine Erwartung.

 

Egbert Verbeek (1)

 



"Egbert Verbeeks Skulptur auf dem Vorplatz der Cloppenburger Liebfrauenschule zeigt eine bewegt gestaltete Mantelhaut, die partiell den Körper eines Kindes umhüllt. In einer Mulde des Mantels erscheint der nackte Oberkörper des Kindes. Der rechte Arm ist angewinkelt. Kopf und der Blick des 'Mantelkindes' wenden sich nach oben. Das Kind scheint aus den Falten des Mantels herauszuwachsen, wobei gleichzeitig eine weitere Assoziation einstellt: Ein vom Himmel herunterschwebender Mantel umhüllt und schützt die auf einem Sockel stehende menschliche Gestalt, deren Blick zum Himmel gerichtet ist.

In dieser Arbeit verzichtet der Künstler bewußt auf eine Wiederholung traditioneller Mariendarstellungen. Auch die Umsetzung alter Bildformeln in eine moderne Formensprache wird vermieden. Kernidee des künstlerischen Entwurfes ist vielmehr die Reduzierung des Marienmotivs auf den Mantel. Der Künstler verdichtet das mittelalterliche Motiv der Schutzmantelmadonna, das in Gestalt des Mantels als pars pro toto zitiert wird. Maria wird nicht gezeigt. Doch die Gottesmutter ist unsichtbar gegenwärtig und vielleicht durch ihre 'körperliche' Abwesenheit noch präsenter. Denn es gilt für den Betrachter, in seiner Phantasie sein Marienbild 'auszumalen' seine persönlichen Assoziationen zum Urbild der Gottesmutter zu entwickeln...
 

Im Mittelalter gab es den Rechtsbrauch der 'Mantelkindschaft' und der 'Mantelflucht'. Bei der 'Mantelkindschaft' wurden vorehelich geborene Kinder legitimiert und angenommen, indem sie während der Trauung unter den Mantel des Vaters genommen wurden. Die 'Mantelflucht' war dagegen ein Art 'Asylrecht'. Ein Verfolgter, der unter den Mantel einer hochgestellten Persönlichkeit flüchtete, hatte Anspruch auf Schutz und Begnadigung. Aus diesen Rechtsbräuchen wird im 13. Jahrhundert das Bild der Schutzmantelmadonna entwickelt, das auch auf das dominante Thema des strengen Weltenrichters antwortet. Der Mantel Marias wird zum Inbegriff der Geborgenheit, des mütterlichen Schutzes, der Bewahrung vor dem Zorn Gottes.

 

Jedoch auch wer nicht um diesen rechts- und kunsthistorischen Hintergrund weiß, versteht intuitiv dieses Bild des 'Schutzmantels' als Ursymbol des Schutzes und der Zuflucht. Kinder bauen mit Decken, Tüchern und Mänteln Höhlen - als intime Orte der Geborgenheit, der Schutzes und der Wärme.

 

Noch weitere Bedeutungsebenen können für das Mantelmotiv festgestellt werden, wie der Blick auf eine mittelalterliche Darstellung des Weltbildes und des Genesisberichtes anregt. Dort sind die Menschen auf ihrer Erdscheibe treibend inmitten der anflutenden Chaosmächte, behütet und beschirmt durch das Firmament, das Gott wie einen schützenden Mantel um seine Schöpfung legt. Aber nicht nur an den schützenden Mantel des Himmels, sondern auch an den Erdmantel kann gedacht werde - 'die hauchdünne lebendige Schicht zwischen unendlichem Raum und glühender Materie' (Verbeek).

 

Bei der Skulptur 'Mantelkind' von Egbert Verbeek ergeben sich für den Betrachter vielleicht folgende Bedeutungsebenen, die im unmittelbaren Bezug zu dem Leitbild einer Schule in kirchlicher Trägerschaft stehen:

  • Das Menschenkind, das mit seinen Talenten und Fehlern angenommen wird.
  • Das Menschenkind, das durch den Mantel der Liebe Geborgenheit und Sicherheit erfährt.
  • Das Menschenkind aber auch in seiner Verletzbarkeit, die durch die Nacktheit des Oberkörpers angedeutet ist. Denn nicht immer fühlen wir uns geborgen, beschützt und sicher. Wir erfahren seelische und körperliche Verletzungen.
  • Das Menschkind in seinem Zustand des Sich-Lösens, des Öffnens, der Erwartung, des Ausblicks, der Hoffnung. Die Blickrichtung des 'Mantelkindes' verweist auf diese Bedeutungsebene."

Dr. Martin Feltes (2)

 

Quellen:
(1) Zitat Egbert Verbeek, in:
Verein der Eltern, Freunde und Förderer der Liebfrauenschule e.V. Cloppenburg und Bischöflich-Münstersches Offizialat Vechta (Hgg.), Mantelkind, Cloppenburg 2000, Umschlaginnenseite vorne.
(2) Dr. Martin Feltes, "Mach Schirm und Schutz für uns daraus..." - zu der Skulptur "Mantelkind" von Egbert Verbeek. in: Verein der Eltern, Freunde und Förderer der Liebfrauenschule e.V. Cloppenburg und Bischöflich-Münstersches Offizialat Vechta (Hgg.), Mantelkind, Cloppenburg 2000, S. 12-14.
(3) Aus: Verein der Eltern, Freunde und Förderer der Liebfrauenschule e.V. Cloppenburg und Bischöflich-Münstersches Offizialat Vechta (Hgg.), Mantelkind, Cloppenburg 2000, S. 15.