Glauben spüren, Weite wagen
Foto: Axel Biewer aus dem Programmheft zur Inszenierung

"... und das schwarze, schnaubende Ungetüm war vorüber."


- Deutsch-eA-Kurse sehen Hauptmanns "Bahnwärter Thiel" im Kulturbahnhof -

Die beiden Leistungskurse Deutsch des Jahrgangs 13 nutzten kurz vor den schriftlichen Abiturprüfungen vor Ort im Kulturbahnhof die Möglichkeit, um Gerhart Hauptmanns Novelle „Bahnwärter Thiel“ - verpflichtende Lektüre im Abiturjahrgang 2025 - als Theaterinszenierung der Landesbühne Nord zu schauen.
Im Anschluss diskutierten die Schülerinnen und Schüler über den Mehrwert der Inszenierung.
Vor allem die Frage danach, ob die Umsetzung fürs Theater der Intention Hauptmanns gerecht wurde, stand im Mittelpunkt.

In Hauptmanns Novelle zeichnet sich im naturalistisch-nüchternen Stil eine Gesellschaftskritik an der Arbeitswelt und ihren damit einhergehenden Determinierungen und Einschränkungen ab. Die Schülerinnen und Schüler waren der Meinung, dass der Stil sehr gut getroffen wurde. Oftmals wurden in der Art einer szenischen Lesung lange Textpassagen gekonnt rezitiert und nur durch Gestik, Mimik und vereinzelte Zwischenrufe kommentiert. Den Höhepunkt dieser Kommentierung bildeten die drei Songs, die die drei Schauspieler zum Besten gaben. So wurde dem Zuschauer eine kalte, herz- und emotionslose Welt präsentiert, die den Menschen weder durch einen schrecklichen Unfalltod, noch durch ein grausames Verbrechen abnormal erscheint. Die Welt ist aus den Fugen, aber das ist normal.
Bei der Betrachtung der Thematik zeigte sich die Kritik an dem Stück. Die drei hervorragenden Schauspieler Sven Heiß (Bahnwärter Thiel), Franziska Jacobsen (Minna als Thiels erste Frau) und Ramona Marx (Lene als Thiels zweite Frau) stellten ein familiäres Soziogramm dar, bei dem Thiel als hilfloser, duldsamer und phlegmatischer Ehemann gezeichnet wurde, der seine erste Liebe nicht loslassen kann und unter der herrschsüchtigen und grobschlächtigen zweiten Frau leidet. Ob diese Thematik tragfähig ist, um den Zuschauer tiefer zu berühren?
Insbesondere an der Art und Weise, wie die beiden Kinder von Thiel dargestellt wurden, entzündete sich Kritik. Die beiden wurden als große Kinderspielzeuge aus Plastik, als Spielzeuglokomotiven, in Szene gesetzt und sorgten so zwar für Erheiterung. Aber spätestens wenn Thiels Ältester, Tobias, vom Schnellzug überrollt wird, führt diese Idee eher zu Klamauk.

Das Meinungsbild war also im Deutschkurs uneinheitlich. Einheitlich gut bewertete man das Bemühen, die Novelle nicht künstlich in die heutige Zeit zu transportieren, sondern beim klassisch-historischen Bild zu bleiben, sodass ein sehr guter Wiedererkennungswert zur schriftlichen Vorlage gegeben war.

Fazit: Von den insgesamt drei Theateraufführungen der Oberstufe war diese die beste. Das ist doch was.

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