"Glauben spüren - Weite wagen"
- Elisa und Leon berichten über ihre Studien in Harvard, USA -
Es ist immer eine besondere Freude, wenn man den Werdegang ehemaliger ULFen verfolgen kann. Oft ist man erstaunt, welcher Weg eingeschlagen wurde oder wohin es so manchen verschlagen hat. Einen besonderen Weg über "den großen Teich" sind wohl Elisa Timmermann und Leon Sieverding gegangen, die sich jüngst an der renommierten Harvard University in Cambridge, Massachusetts, bei der German American Conference trafen. Sie wagen dabei getreu dem Schulmotto wirklich viel Weite. Freundlicherweise haben sie sich der Schulschrift für ein Interview bereiterklärt und geben dabei interessante Einblicke in ihre Zeit am ULF und wie so ein Weg zustande kommt.
Interviewer: Hallo Elisa, hallo Leon. Wie schön, von euch zu hören. Für uns als Schule ist es immer sehr interessant, wenn sich Ehemalige melden und berichten, wohin es sie verschlagen hat. Bevor wir tiefer einsteigen, möchte ich euch beide erst einmal den Leserinnen und Lesern vorstellen. Könnt ihr erzählen, wo ihr herkommt, was ihr heute macht und wie eure Wege nach dem Abitur verlaufen sind?
Leon: Sehr gern. Ich bin Leon, habe 2016 am ULF mein Abitur gemacht und bin inzwischen Doktorand der Volkswirtschaftslehre (VWL) an der Uni Bonn. Direkt nach dem Abi habe ich ein FSJ an einer Schule in Rumänien absolviert, danach in Bonn Mathematik und VWL studiert. Meine Promotion hat mich schließlich nach Yale in die USA geführt, wo ich seit Sommer 2024 als Gastdoktorand forsche und Tutorien gebe.
Elisa: Ich bin Elisa und habe 2019 am ULF mein Abitur abgelegt. Momentan studiere ich VWL an der Freien Universität (FU) Berlin und verbringe ein Auslandssemester an der University of Pennsylvania (UPenn), USA. Davor habe ich einen Bachelor in Psychologie an der Humboldt-Universität (HU) Berlin absolviert und bereits ein Semester an der New York University (NYU) verbracht. Besonders interessiert mich die Schnittstelle zwischen Psychologie und Ökonomie, also die Verhaltensökonomie.
Interviewer: Wenn ihr an eure Schulzeit in Cloppenburg zurückdenkt: Welche Fächer, Lehrerinnen und Lehrer oder vielleicht auch Begegnungen haben euch besonders geprägt?
Elisa: Ich hatte besonders Freude an Sprachen, auch wenn mein Studium später mathematischer wurde. Prägend waren vor allem Lehrkräfte, die mir etwas zugetraut haben und die ihr Fach selbst mit Begeisterung vermittelt haben – das spürt man als Schülerin sofort.
Leon: Vor allem diejenigen, die den Entdeckermodus in mir geweckt haben – Lehrerinnen und Lehrer, die mich ermutigt haben, Dinge auszuprobieren, etwa Wettbewerbe oder einen Auslandsaufenthalt. Und natürlich diejenigen, die einfach wirklich guten Unterricht gemacht haben oder mit denen ich als Schülervertreter eng zusammengearbeitet habe.
Interviewer: Und wie sieht es mit Erinnerungen jenseits des Unterrichts aus? Gibt es Dinge, die euch bis heute im Gedächtnis geblieben sind?
Elisa: Bei uns war es der Zusammenhalt im Jahrgang. Wir haben uns als Gruppe dafür eingesetzt, nach der 8. Klasse nicht neu durchmischt zu werden. Auch wenn wir uns nicht durchsetzen konnten, war es beeindruckend, wie geschlossen wir damals aufgetreten sind.
Leon: Definitiv mein Engagement in der Schülervertretung. 2014 haben wir zum Beispiel in allen Klassen Unterschriften gesammelt, um für eine bessere technische Ausstattung zu werben – mit Erfolg.
Interviewer: Kommen wir zur Abiturzeit – die ist ja oft eine Mischung aus Stress, Verantwortung und Aufbruchsstimmung. Was bleibt euch besonders in Erinnerung?
Elisa: Ich denke gern an die kleinen Oberstufenkurse zurück, der Unterricht war viel persönlicher. Als Jahrgangssprecherin habe ich außerdem Abireise, Abizeitung und Abiball organisiert, und plötzlich musste ich mit Erwachsenen verhandeln – eine neue Erfahrung (lacht).
Leon: Ja, organisatorisch war es schon viel: Finanzplanung, Haftungsfragen … plötzlich geht es um Summen und Verantwortung, die mir als Teenager sehr groß vorkamen. Aber hauptsächlich erinnere ich mich an das Positive – der Rest verblasst (lacht).
Interviewer: Yale (Leons Uni) und die UPenn (Elisas Uni) gehören zu den acht Ivy-League-Universitäten im Nordosten der USA. Auch wenn Harvard, Stanford und das MIT sicherlich die bekanntesten US-Universitäten sind, so sind Yale und UPenn beide weltweit führend. Nur wenige starten direkt aus Deutschland an so renommierten Universitäten. Wie kam euer Weg dorthin zustande?
Leon: Die Bonner VWL hat eine Kooperation mit Yale und schickt jedes Jahr ausgewählte Promovierende dorthin. Auch andere deutsche Universitäten haben solche Partnerschaften.
Elisa: So ist es auch bei mir. Ich bin dankbar, einen der begrenzten Plätze im Partnerschaftsprogramm der HU und der FU mit der NYU und der UPenn erhalten zu haben. Schon in der Schulzeit wusste ich, dass ich unbedingt ins Ausland möchte, und über diese Programme wurde es möglich.
Interviewer: Was waren denn für euch die größten kulturellen oder akademischen Hürden beim Übergang in die USA?
Leon: Ich sehe in den USA eine deutlich stärkere Risikobereitschaft, was zu mehr Volatilität führt – sowohl positiv als auch negativ. Mehr Innovation, mehr Start-ups, aber eben auch mehr Ungleichheit und Unsicherheit.
Elisa: Mir fällt besonders das starke gesellschaftliche Selbstbewusstsein auf. Gleichzeitig sind die sozialen Ungleichheiten gewaltig. Diese Mischung prägt den Alltag hier in vielerlei Hinsicht.
Interviewer: Vor diesem Hintergrund: Was ist aus eurer Sicht typisch deutsch?
Elisa: Ich erlebe Deutschland als gründlicher und sicherheitsbewusster. So wird Deutschland auch in den USA wahrgenommen. Dafür dauert es manchmal länger, bis neue Ideen wirklich verfolgt werden.
Leon: Dem stimme ich zu. Stabilität hat Vorteile, aber man zahlt häufig auch eine Art Versicherungsprämie dafür.
Interviewer: Wie unterscheiden sich das Studium und das akademische Umfeld an euren US-Unis von dem in Deutschland?
Leon: Letztlich wird überall nur mit Wasser gekocht, aber die Top-Unis in den USA haben eben einen besseren Wasserkocher – die finanzielle Ausstattung hier ist enorm. Das hilft natürlich ungemein.
Elisa: Ich erlebe den Kontakt zu Professorinnen und Professoren in den USA viel persönlicher. Die Universitäten bieten zudem unglaublich viele Unterstützungsangebote, sowohl fachlich als auch organisatorisch und im Hinblick auf die Karriere.
Interviewer: Lasst uns zum Abschluss in die Zukunft blicken: Welche beruflichen Pläne habt ihr für die nächsten zehn Jahre?
Elisa: Ich möchte Psychologie und VWL gern verbinden und mich damit beschäftigen, wie Menschen Entscheidungen treffen. Und ich kann mir gut vorstellen, wissenschaftliche Erkenntnisse später auch in die Praxis zu tragen.
Leon: Ganz ehrlich: Vor zehn Jahren wusste ich noch nicht, ob es überhaupt realistisch wäre, dass ich heute in Yale forschen darf. Daher bin ich dankbar für meine vielfältigen Erfahrungen seitdem und freue mich auf alles, was noch kommt.
Interviewer: Zum Schluss: Welche Ratschläge würdet ihr heutigen ULF-Schülerinnen und -Schülern geben, die ebenfalls akademische Pläne haben – vielleicht sogar im Ausland?
Leon: Vor allem offen bleiben für neue Ideen – gerade dann, wenn sie den eigenen Blick verändern. Und verstehen wollen, warum Dinge so sind, wie sie sind.
Elisa: Ich würde empfehlen, bei der Studien- und Universitätswahl auf Partnerschaften und Austauschprogramme zu achten. Das ist ein tolles Sprungbrett! Und wer am ULF ein starkes Abi hat, kann sich auch zutrauen, sich direkt im Ausland zu bewerben.
