Glauben spüren, Weite wagen
Die fünf Referenten und der geistliche Leiter der Akademie wurden mit viel Applaus und einem kleinen Präsent bedacht.

Pilotprojekt Studium fundamentale startet mit großem Erfolg


- Akademische Vorlesung und Seminare bieten reichlich Anregung für Jugendliche -

Das, was sich das Gymnasium Liebfrauenschule und die Katholische Akademie Stapelfeld am Reißbrett erdacht hatte, wurde am 20. und 21. April in Stapelfeld mit Leben gefüllt. Über 100 Jugendliche setzten sich im Sinne Sokrates' mit Fragen der Zukunftsgestaltung aus der Perspektive junger Menschen auseinander. Das, was zunächst in manchen Ohren eher staubig, anstrengend und langweilig klingt, wurde zu einer wunderbar anregenden Veranstaltung.

Ringveranstaltung zur Vorbereitung in der Schule

Das Pilotprojekt startete im Januar mit einer Ringveranstaltung, bei der fünf Themenblöcke unter dem Oberbegriff "Ich und wir - heute und morgen" in je zwei Doppelstunden beleuchtet wurden. Dabei wurden weit über den schulischen Fächerkanon hinaus Aspekte beleuchtet, die Zukunft junger Menschen prägend sein könnten.
Aus der gesellschaftswissenschaftlichen Perspektive wurde erarbeitet, wie die Zukunft der Arbeit sein könnte, wenn vieles automatisiert wird, so dass es zum Beispiel wegen autonomer Fahrzeuge keine Bus- und Taxifahrer mehr braucht.
Die soziologische Perspektive fragte danach, was einen jungen Menschen eigentlich prägt. Sind es die Gene oder doch mehr die Familie, das nährere Umfeld oder auch Medien? Sind wir individuell oder doch "nur" der Durchschnitt des Mainstreams?
Das große Thema der Daten und Datensicherheit nahm die politische Perspektive in den Blick. Hier setzte man sich kritisch mit der Haltung auseinander: "Von mir aus dürfen die Firmen und der Staat alles von mir wissen und meine Daten durchleuchten. Ich habe nichts zu verbergen." Dabei stellte sich heraus, dass es um weit mehr geht, als um die Datensichtung, sondern vielmehr auch darum, mittels welcher Konsequenzen dann unser Denken und Handeln beeinflusst wird.
Die literarische Perspektive umfasste vor allem die Begriffe der Utopie und der Dystopie, die zahlreiche Autoren anhand aktueller Erfahrungen angeregt hat, Entwicklungen in fiktionaler Form fortzuführen und deren Konsequenzen aufzuzeigen.
Schließlich befasste sich die naturwissenschaftliche Perspektive mit den Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz und des Transhumanismus, durch den die Möglichkeiten und Begrenztheiten des menschlichen Körpers optimiert werden können. Platt formuliert: Bin ich noch ich, wenn ich überwiegend aus Teilen aus einem 3-D-Drucker bestehe?

Interaktive Vorlesung am Freitag

Mit diesem Paket ging es nach Stapelfeld, wo zunächst eine interaktive Vorlesung in die Welt des Sokrates einführte. Der geistliche Leiter der Akademie, Dr. Marc Röbel, und der Dozent der Akademie, Alexander Rolfes, präsentierten in konzentrierter und doch abwechslungsreicher Form Leben und vor allem Inhalte und Anliegen des Sokrates. Hierbei wurde eindrucksvoll veranschaulicht, dass die Haltung des Fragenden, so wie Sokrates sie perfektioniert hat, viel zum Verstehen der Dinge beiträgt. Diese als Mäeutik (gr. "Hebammenkunst") genannte Technik sollte den Schülerinnen und Schülern vermitteln, dass man so Probleme abgrenzen und klar benennen kann, Sachverhalte definieren lernt und Argumente von Parolen unterscheiden lernt, um sich der Wahrheit der Dinge möglichst annähern zu können, auch wenn Sokrates selbst für sich festhielt "Ich weiß, dass ich nicht weiß."
Immer wieder wurden diese scheinbar antiken Aspekte auf aktuelle Entwicklungen bezogen; beispielsweise auf die tumben Auftritte von diversen Politkern und Experten in Polit-Talkshows oder aber auch auf die berühmte Aussage Angela Merkels auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle 2015.
"Bist du dir sicher?", würde Sokrates fragen und so die Sache auf ihren Kern hin untersuchen.
Zum Abschluss dieser Vorlesung führten die Schülerinnen und Schüler einen ersten kleinen Versuch durch und formulierten einen knappen sokratischen Dialog, um argumentativ eine Problemstellung zu beleuchten, was überaus beeindruckend gelang und Dozenten und anwesende Lehrer zum Staunen brachte.

Seminarveranstaltungen am Samstag

Am Vorabend hatten sich alle Teilnehmer einem der fünf Seminare zugeschrieben, sodass nach Frühstück und einer kurzen Andacht in der angrenzenden Kirche mit der produktiven Arbeit gestartet werden konnte.
Hierzu konnte die Liebfrauenschule fünf Referenten gewinnen, die sich dem Thema "Ich und wir - heute und morgen" auf sokratische Weise zu nähern versuchten - also mittels klar formulierter Argumente oder gezielter Fragen Dinge voneinander abzugrenzen, Probleme zu umreißen und sicherlich auch den einen oder anderen Lösungsansatz aufzuzeigen.
Bei Thomas Ast, Leiter der Medienstelle Cloppenburg wurden so Dokumentarfilme gedreht, die sich arbeitsteilig mit drei Feldern beschäftigte: Welchen Stellenwert hat künstliche Intelligenz in der Zukunft? Wie definieren wir Schönheit in der Zukunft, wenn alles reproduzierbar wird? Robotertechnik in der Altenpflege - Fluch oder Segen?
Mit dem künstlerischen Ausdruck beschäftigte sich die Seminargruppe von Jürgen Stelling, Kunstlehrer der Liebfrauenschule. Unter dem Oberthema "Gedanke - Wort - Tat" wurden Ausdrucksmittel gesucht, wie man künstlerisch umsetzen kann, wenn ein Gedanke "real" wird und sich in Worten oder Taten manifestiert.
Wiederum eine technisch moderne Form hatte Christian Wode vom Projekt Kommunikation des Erzbistums Hamburg für sein Seminar gewählt. Unter besonderer Berücksichtigung der Medienplattform instagram wurde analysiert, wie Meinungen im Internet gebildet werden, wie Einfluss genommen wird, wie das mit den so genannten Influenzern funktioniert und was man als real und was eher als fake ansehen kann. Hierzu sollten sich die Seminarteilnehmer jeweils eine Meinung bilden.
Weiterhin bot Gaby Westerkamp, Chefredakteurin des Cloppenburger Wochenblatts, einen Workshop zur journalistischen "Wahrheit" an. Hierbei wurde neben der Vorstellung der journalistischen Arbeit und deren Verantwortung für "die Wahrheit" auch die Macht des Arguments eingeübt, indem eine Pressemitteilung, ein offener Brief an einen fiktiven Politiker und ein Leserbrief formuliert wurden. Einige Themen, die dabei virulent wurden, waren das bedingungslose Grundeinkommen zur Sicherung der Lebensgrundlage für alle oder die Verteilung der Arbeit zwischen Mann und Frau.
Schließlich konnten die Teilnehmer im Workshop von Alexander Rolfes sich in der Kunst der Debatte einüben. Auch hier drehte es sich um das Thema der Arbeit in der Zukunft, wobei beispielhaft in Form von Rede und Gegenrede die Frage aufgeworfen wurde, ob man in Zukunft mit Blick auf google, wikipedia und youtube-tutorials noch Lehrer benötigen wird.

Fazit

Das Pilotprojekt "Studium fundamentale" wird zum ersten Mal von der Liebfrauenschule und der Katholischen Akademie durchgeführt. Alle an der Vorbereitung Beteiligten waren sehr gespannt über Ablauf und Resonanz. In der Bewertung waren sich die Beteiligten einig: Es wurde großer Aufwand betrieben und die Schülerinnen und Schüler leisten innerhalb dieser Veranstaltung mehr, als sie es anderswo müssten. Und es stellte sich heraus, das der große Aufwand und das Engagement der Schülerinnen und Schüler durchaus lohnenswerten Ertrag brachte, was man an den erstaunlichen Beiträgen verschiedener Schülerinnen und Schüler sehen konnte. Mit intellekueller Schärfe und Brillianz wurde argumentiert und Standpunkte in Wort, Schrift und Bild deutlich gemacht.
Am 24. Mai findet im Gymnasium Liebfrauenschule ein Abend zur Abschlusspräsentation dieser Blockveranstaltung in Stapelfeld statt, auf den man schon jetzt gespannt sein darf.