Glauben spüren, Weite wagen
Julie Billiart, Ordensgründerin
Artikel zur geplanten Gründung (1878)
Spendensammlung zur Schulgründung

Gründungszeit mitten im Kulturkampf

An der Osterstraße 45 in Cloppenburg steht heute eine funktionale, zeitgemäß eingerichtete moderne Schule, ein Neubau, der in seinem äußeren Erscheinungsbild nichts mehr von den Anfängen erkennen lässt, sondern sich harmonisch in die Schullandschaft des Landkreises Cloppenburg einfügt. Durch ihre christliche Werteingebundenheit schließt die Liebfrauenschule Cloppenburg eine Lücke im Bildungsangebot unserer Region, denn sie entspricht aufgrund ihrer christlichen Ausrichtung von Erziehung und Bildung den Vorstellungen und Erwartungen eines großen Teiles der Bevölkerung im Landkreis Cloppenburg. 

Gründungsjahr 1878
Im Mai 1878 kam es zur Gründung dieser Schule in Cloppenburg. Auf Initiative des weitsichtigen  Kaplans Dr. Carl Ludwig Niemann (* 18.01.1830 in Bakum, + 02.12.1895 in Cappeln), der sich in der Pfarre St. Andreas mit dem Schulwesen zu beschäftigen hatte, wurde, nachdem Vorbesprechungen und Verhandlungen sowohl mit der Schulabteilung der Staatsregierung des Großherzogtums in Oldenburg als auch mit dem 1831 eingerichteten Offizialat in Vechta sowie  mit der Schwesternkongregation U. L. Frau in Vechta erfolgt waren, in der Stadt Cloppenburg und dem Umland für die Einrichtung einer „höheren Töchterschule" geworben und Geld gesammelt. Die Leitung dieser Schule sollte den „Schulschwestern U. L. Fr. zu Coesfeld, welche sich bereits seit Jahren in Vechta so segensreich" eingesetzt hätten, obliegen. In dem am 05. Mai 1878 in Cloppenburg veröffentlichten Informationsblatt wurden ebenfalls knapp die Lehrgegenstände dargestellt und die Notwendigkeit zur Einrichtung dieser Schule in der Stadt Cloppenburg erklärt. In Unterschriftslisten, die ab dem 08. Mai 1878 in Cloppenburg und dem Umland verbreitet wurden, trugen sich viele Cloppenburger Bürger und Landwirte aus den Ortschaften nahe der Stadt ein. Durch ihre Unterschrift und einen angefügten Spendenbetrag verpflichteten sie sich, der Einrichtung dieser Töchterschule auch vom allgemeinen Bürgerwillen her Nachdruck zu verleihen und ihr eine finanzielle Grundlage zu verschaffen. Betrachtet man heute diese Spendenlisten, so ist auffällig, dass eine große Resonanz in der Bevölkerung vorhanden war und viele Personen die Einrichtung einer Privatschule für Mädchen forderten. Kaplan Dr. Niemann, der übrigens ein hervorragender Kenner der Geschichte des Oldenburger Münsterlandes war, was sein auf uns überkommenes Schrifttum beweist, hatte damit sein wichtigstes Ziel erreicht. Der direkten Einrichtung einer Töchterschule stand nun nichts mehr im Wege. Am 23. Mai schloss er mit der Schwesternschaft U. L. Frau einen Vertrag. Hierin verpflichtete er sich, den Schwestern für den Unterricht an einer Töchterschule in Cloppenburg 1050 Mark im Quartal zu entrichten. Ebenfalls wurden den Schwestern freie Wohnung und ein Garten für die Zeit ihres Wirkens zugesichert. Die Reinigung und die Heizung der Schule musste von kirchlicher Seite her übernommen werden. Interessant ist es, dass die Herbstferien vom 01. September bis zum 15. Oktober festgelegt  sowie  acht- beziehungsweise vierzehntägige Osterferien in Aussicht gestellt wurden. In den sechswöchigen Herbstferien mussten vermutlich nicht wenige Kinder in der Ernte mitarbeiten.

Vertrag zwischen Kaplan Dr. Niemann und den Schwestern U. L. Frau
Der Vertrag, der sich im Archiv  der St. Andreas Pfarrkirche befindet und als der eigentliche Beginn der Einrichtung einer Privatschule für Mädchen in Cloppenburg bewertet werden kann, lautet:

Mit dem hochwürdigen Herrn Kaplan Dr. Niemann in Cloppenburg haben die Schwestern U. L. Frau heute folgenden Contrakt abgeschlossen:

§1
Die Schwestern U. L. Frau übernehmen den Unterricht an der errichteten Töchterschule in Cloppenburg. Dagegen verpflichtet sich der hochwürdige Herr Kaplan Niemann genannten Schwestern ein quartaliter entrichtendes Gehalt von 1050 Mark zu zahlen und ihnen freie Wohnung nebst Garten für die Zeit ihres Wirkens an genannter Schule zu stellen.

§2
Ebenso übernimmt er die Sorge für die Reinigung und Heizung der Schulen, sowie die Reparaturen des Hauses.

§3
Das Inventar beschaffen die Schwestern U. L. Frau, (wofür ihnen _________  ausgezahlt werden. Sollte jedoch ihre Wirksamkeit an der betreffenden Schule aufhören, so bleiben die Betten und Bibliothek Eigenthum der Schwestern. [ in Klammern: gestrichen d. V.] ) weshalb sie ihr Eigenthum behalten.

§4
Die Herbstferien dauern vom 1. September bis zum 15. Oktober, ebenso können, falls es passend scheint, um Ostern acht- oder vierzehntägige Ferien sein.

Vorstehender Contrakt ist von beiden Contrahenten eigenhändig unterschrieben, doppelt ausgefertigt und jedem ein Exemplar zugestellt worden.

Cloppenburg, 23. Mai 1878.               Dr. Niemann Capl..

Start mit drei Schulschwestern und 21 Schülerinnen
Zunächst wurden zwei Klassen eingerichtet. Der Lehrbetrieb begann mit 21 Schülerinnen, wovon die Namensliste (Material 5) sowie ein Photo (Material 4) erhalten sind. Die Namen der drei Schulschwestern, die mit dem Unterricht an der Schule in Cloppenburg begannen, lauten Schwester M(aria) Felicia, Schwester M. Loyola und Schwester M. Rosa. Aus einem weiteren Schreiben, datiert vom 28.Mai 1878 (Material  6), geht hervor, dass diese drei Schwestern am 24. Mai, also einen Tag nach der Unterzeichnung des Vertrages zwischen Kaplan Dr. Niemann und der Schwesternschaft U. L. Frau, in Cloppenburg im Schatten der St. Andreas Pfarrkirche Quartier bezogen haben. Das Schreiben vom 28. Mai ist für die Schwesternschaft U. L. Frau von Schwester Maria Petra unterzeichnet worden; vermutlich war sie die Oberin in Vechta. In diesem Schreiben ging es darum, dass der Offizial einen Beichtpfarrer für die Schwesternschaft in Cloppenburg benennen sollte.

Das Schreiben trägt folgenden Wortlaut:

An das Bischöflich Münstersche Offizialat zu Vechta

Dem Hochwürdigsten Bischöflichen Münsterschen Officialat erlaubt sich die unterzeichnete Vorsteherin des hiesigen Pensionats der Schwestern U. L. Frau unterthänigst anzuzeigen, dass am 24. d.(es) M. (onates) drei Schwestern von hier nach Cloppenburg abgegangen sind, um dort eine Privatschule zu eröffnen.

Hochwürdiges Bischöflich Münstersches Officialat bittet daher gehorsamst die Unterzeichnete, Fürsorge treffen zu wollen, dass den Schwestern dort ein Beichtvater bestimmt werde.

Unterthänigst

Maria Petra, Schwester U. L. F.

Gründungszeit mitten im Kulturkampf
Der Gründungsprozess wurde besonders durch die Tatsache erschwert, dass der Kulturkampf einen Teil der Schwestern U. L. Frau des Klosters in Coesfeld, das damals zum Land Preußen gehörte, nach Vechta, das wie Cloppenburg zum Land Oldenburg gehörte, vertrieben hatte. Mitte März 1877 hatte das Mutterhaus in Coesfeld die schriftliche Anordnung erhalten, bis zum 1. Oktober das Gebäude zu räumen. Ende Juni 1877 verließen 40 Präparandinnen und 90 Schülerinnen des Internats das Kloster in Coesfeld. Die Präparandie, die Vorbereitungsschule zur Ausbildung von Lehrerinnen, wurde von den Schwestern U. L. Frau in Vechta weitergeführt. Ebenfalls gingen etwa 30 Schwestern nach Vechta und nach Lohne. Dieser Wechsel war nicht ganz unproblematisch, was noch zu erklären ist.

Die Ordensniederlassung in Vechta war auf das Betreiben des Offizials Engelbert Reismann (1853 - 1872) zustande gekommen. Nach längeren Verhandlungen besonders mit dem Staatsministerium in Oldenburg war es dann dem Offizial im Herbst 1859 gelungen, dass die ersten vier Schwestern, die nach einer langen und beschwerlichen Reise von Coesfeld am 29.09.1859 in Vechta ankamen und die für die Gründung einer Töchterschule in Vechta bestimmt worden waren, ihre Arbeit in Vechta aufnehmen konnten. Die Ordensgründung in Vechta war für den Orden U. L. Frau die erste Niederlassung in Deutschland außerhalb von Preußen.

Unter der Bezeichnung „Kulturkampf" versteht man allgemein den Konflikt zwischen der katholischen Kirche und einer politischen und sozialen Liberalisierung insbesondere in Preußen, die darauf abzielte, die überkommenen Verflechtungen von Staat und Kirche aufzulösen und schließlich eine Trennung von Staat und Kirche herbeizuführen. In diesem Streit zwischen Staat und Kirche erstrebten staatliche Organisationen eine Unterordnung der Kirche, was sich insbesondere in der Kulturpolitik niederschlug. Eine Verstaatlichung des Schul- und Bildungswesens wurde angestrebt. Diese Auseinandersetzungen kulminierten nach der Deutschen Reichsgründung 1871 in Preußen, dem größten und mächtigsten deutschen Land im Reich. Durch den Kanzelparagraphen, der 1871 veröffentlicht wurde, konnten gegebenenfalls Geistliche, wenn sie eine den öffentlichen Frieden bedrohende Ansprache in Ausübung ihres Berufes hielten, einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt werden. Drastischer wirkte sich das sogenannte Jesuitengesetz von 1872 aus. Nach diesem Gesetz wurde der Jesuitenorden im Reichsgebiet verboten. Verschärft wurde dieses Gesetz noch durch den Erlass des Preußischen Ordensgesetzes vom 31. Mai 1875. Viele Ordenseinrichtungen wurden fortan in Preußen verboten; Krankenhäuser, Schulen und andere soziale Einrichtungen , die von Ordensleuten geführt wurden, wurden per Gesetz geschlossen.

Diese gesetzlichen Grundlagen, nach denen es ferner verboten war, aus Preußen vertriebenen Ordensleuten Asyl zu gewähren, galten somit auch für das Land Oldenburg, zu dem nach 1803 auch die ehemaligen münsterschen Ämter Cloppenburg und Vechta gehörten. Zwischen diesen beiden Landkreisen und dem protestantischen Großherzogtum gab es wegen der kirchlichen Zugehörigkeit Spannungen. Der Großherzog musste in Kirchenangelegenheiten mit dem Bischof von Münster verhandeln. Münster gehörte damals zu Preußen. Die Ämter Cloppenburg und Vechta, deren Bevölkerung fast ausschließlich katholisch war und die zudem räumlich vom Münsteraner Kernbistum getrennt waren, fühlten sich zwar politisch sehr stark nach Oldenburg orientiert, dennoch sahen sie im Bischof von Münster ihren geistlichen Oberhirten. Obwohl  der Großherzog sich eine direktere Vertretung der katholischen Kirche in seinem eigenen Land wünschte, um rascher verhandeln zu können, wurden Pläne, nach denen ein eigenes Bistum eingerichtet werden sollte, verworfen. Stattdessen wurde die weltweit einmalige Institution des Bischöflich Münsterschen Offizialats mit Sitz in Vechta durch die Konvention von Oliva 1830/31 geschaffen. Umgekehrt schuf dies natürlich auch eine Stärkung der Oldenburger Münsterländer, die dadurch in gewisser Weise eine größere kirchliche Unabhängigkeit erlangten. Deshalb fanden schon vor 1870 in Oldenburg Streitigkeiten um kulturkampfpolitische Themen statt. In der Regel aber bildeten sich Strukturen heraus, mit denen beide Seiten leben konnten.

Dennoch bleibt es dann in diesem Zusammenhang höchst interessant und spannend, wie sich 1878 in Cloppenburg eine Ordenskongregation trotz gesetzlichen Verbots ansiedeln konnte. Die Oldenburgische Staatsregierung verbot nämlich im gleichen Jahr die Einrichtung einer Bewahranstalt für verwahrloste Kinder in Löningen, die vom Frauenorden der Franziskanerinnen, deren Niederlassung in Lingen aufgelöst worden war, geleitet werden sollte. Ferner verbot die Staatsregierung dem damaligen Offizial Theodor Niehaus, ( 1873 - 1887) überhaupt Niederlassungen geistlicher Orden im Herzogtum zu gründen. Diese restriktiven Maßnahmen verdeutlichen, dass die Staatsregierung in Oldenburg die gesetzlichen Grundlagen des Kulturkampfes somit auch in Oldenburg anwandte.

Hintergründe
Wie war es dann überhaupt noch möglich, im gleichen zeitlichen Abschnitt in Cloppenburg eine Privatschule unter Leitung einer Ordensgemeinschaft zu gründen? Kaplan Dr. Niemann hatte seinerseits bereits 1877 eine Anfrage an die Oldenburgische Staatsregierung gestellt. Die mündlich gestellte Anfrage ist uns leider nicht erhalten; sie beinhaltete vermutlich eine recht geschickte Fragestellung des Geistlichen. Das Antwortschreiben der Staatsregierung ist dagegen überliefert. Am 04. April 1877 antwortete die Staatsregierung, dass sie zwar den öffentlichen Schulen den Vorrang einräume, doch umgekehrt alle Schulformen willkommen heiße, die dazu dienten, den Schulunterricht zu heben. Wörtlich heißt es: „Der von Ihnen (gemeint ist Dr. Niemann d. V. )entwickelte Plan ist ohne Zweifel geeignet, für ein wirklich vorhandenes Bedürfnis Abhilfe zu gewähren."  Dass dabei die gesetzlichen Grundlagen beachtet werden sollten, stand ohne Zweifel für beide Seiten fest. Wesentlich vorsichtiger reagierte das Schreiben auf den Plan, Ordensschwestern mit der Durchführung und Leitung der Schule zu betrauen. Es sollte „alles vermieden" werden, „was den Schein erwecken" könnte, dass „diejenigen Schulschwestern, deren Unterrichtsanstalten in Preußen geschlossen worden" seien , „in unserem Lande ein Asyl finden". Die Staatsregierung gab somit grünes Licht für die Einrichtung einer Privatschule. Natürlich wird sie auch nichts gegen eine Bildungseinrichtung einzuwenden gehabt haben, die von ausgebildeten Fachleuten betrieben wurde und zeitgemäß Unterrichtsinhalte vermitteln konnte. Die Oldenburger Staatsregierung konnte letztlich auch gar keine rechtlichen Schritte gegen eine Einrichtung einer Privatschule unternehmen. Auch  wurde eine Privatschule nicht durch staatliche Zuwendungen unterstützt. Das wirtschaftliche und finanzielle Risiko trugen schließlich die Privatschulen selbst. Umgekehrt allerdings versuchte die oldenburgische Staatsregierung jedoch alles zu unterbinden, was darauf hinweisen könnte, dass aus Preußen vertriebenen Ordensleuten hier im Land Oldenburg Asyl geboten werden würde. Die Staatsregierung verdeutlicht darüber hinaus, dass „die Berufung ohne den Schein einer Demonstration in derselben Weise und mit derselben Beschränkung" erfolgen sollte,  „wie sie früher geschlossen" sei „für Lohne [ wird 1870 gegründet d.V.] u.s.w.". Dr. Niemann hat nicht sofort reagiert, vielmehr wartete er gut ein Jahr. Die von Coesfeld vertriebenen Schwestern U. L. Frau lebten nun schon ein knappes Jahr in Vechta. Insofern galt für diese Schwestern nicht mehr uneingeschränkt das Verbot der Asylgewährung. Dieser Vorgang unterscheidet sich daher meiner Meinung nach auch von dem oben zitierten Löninger Fall: Hier trafen die Franziskanerinnen, die in Löningen ein Waisenhaus einrichten sollten, auf den erbitterten Widerstand der Oldenburger Staatsregierung, weil sie direkt aus Preußen - Lingen gehörte damals zu Preußen - vertrieben worden waren und deshalb auf sie die gesetzliche Regelung angewandt werden musste. Dagegen  konnte nun Dr. Niemann Anfang Mai 1878 relativ unbehelligt, ohne direkt gegen gültige gesetzliche Regelungen zu verstoßen,  eine höhere Töchterschule in Cloppenburg einrichten und die Leitung den Schulschwestern U. L. Frau aus Vechta anvertrauen, denn er konnte, wie er es auch im Informationsblatt vom 05. Mai 1878 deutlich hervorhob, auf das bereits seit Jahren so segensreiche Wirken der Coesfelder Schulschwestern in Vechta verweisen. Dr. Niemann beugte auf diesem Wege wohl dem möglichen Vorwurf, gesetzliche Regelungen zu missachten, geschickt vor. Gegen Schulschwestern U. L. Frau aus Vechta, die in Cloppenburg eine Privatschule einrichten wollten, gab es keine rechtliche Handhaben.

Verwurzelung der Schule in der Cloppenburger Mentalität
Den Bürgern in Cloppenburg war die Einrichtung einer höheren Töchterschule willkommen und wichtig. Eingebunden in eine christliche Wertvorstellung durch die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche und gleichzeitig dem Zeitgeschehen gegenüber aufgeschlossen, waren sie vermutlich froh über die Absicht des Kaplans Dr. Niemann, die Leitung einer solchen Schule einer mit der Vermittlung von Schulbildung vertrauten Schwesternschaft zu übergeben. Dies kam auch der Glaubensüberzeugung eines Großteils der Cloppenburger Bevölkerung sehr entgegen, da man sicher sein durfte, dass die Schülerinnen in einem guten religiösen Sinn erzogen werden würden. Deshalb waren die Bürger auch bereit, persönlich finanzielle Opfer zu bringen, indem sie für die Schule Geld spendeten und  für den Unterricht ein Schulgeld bezahlten. Vielleicht mag es den Bauern und Bürgern darüber hinaus wichtig gewesen sein, eine gewisse religiöse Unabhängigkeit gegenüber Oldenburg und auch gegenüber Preußen zum Ausdruck zu bringen, indem sie sich so zahlreich in die Spendenlisten eintrugen. Es ging ihnen vermutlich auch um die Bewahrung und den Schutz ihrer eigenen Glaubensüberzeugung als Grundlage für die Erziehung und Schulbildung ihrer eigenen Kinder.  

Als Lehrgegenstände führt das Informationsblatt vom 05. Mai 1878 zunächst Religion und die biblische Geschichte an. Ferner werden dann „Geschichte, Geographie, Völkerkunde, Naturgeschichte [ vermutlich Biologie d. V. ], Physik, deutsche Sprache (Sprachlehre, mündlicher und schriftlicher Vortrag, gutes Lesen und Deklamation [ Darbietung eines kunstgerechten Vortrags d. V.], Literatur), Rechnen ( mit Buchführung und Geschäftsaufsätzen), französische und englische Sprache, Schönschreiben, Zeichnen, Gesang und Unterricht in den verschiedensten Handarbeiten" als zu vermittelnde Inhalte aufgelistet. Für eine Mädchenbildung scheint dies zu damaliger Zeit sehr umfassend gewesen zu sein. Meines Erachtens erkennt man daran die Auswirkungen der Zeit. Auch Frauen erhalten eine bessere schulische Ausbildung. Dies wird zunächst von den Bürgern als ein nicht unwichtiger Teil der Mitgift betrachtet worden sein, da ein in dieser Form ausgebildetes Mädchen auch leichter in besseren Kreisen zu verheiraten war. Während einerseits traditionelle frauentypische Inhalte wie Schönschreiben und verschiedene Handarbeiten aufgelistet werden, zeigen Themen wie Buchführung und die Abfassung von Geschäftsaufsätzen, dass sich die Rolle der Frau veränderte. Sicher sollten diese Fähigkeiten zunächst in der Familie und im Haushalt angewendet werden, dennoch eröffneten solche Fähigkeiten, ohne bereits den emanzipatorischen Aspekt überzubewerten, auch die Möglichkeit, sich im Berufsleben zurechtzufinden. Nach wie vor lebten die Bürger im ausgehenden 19. Jahrhundert in einer stark von Männern dominierten Gesellschaft, der sich in der Regel die Frauen unterzuordnen hatten. Durch eine gute Schulbildung allerdings wurden traditionelle gesellschaftliche Zusammenhänge auch aufgebrochen.

Zuordnung eines Cloppenburger Geistlichen zur Schule
Der Beginn der Tätigkeit der drei Schwestern U. L. Frau wird sehr einfach und die Unterbringung der Schwestern sehr primitiv gewesen sein. Auch die Schulräume selbst werden äußerst schlicht gehalten gewesen sein. Und dennoch wuchs die Zahl der Schülerinnen immer weiter an.

Natürlich motivierte eine solche Schulausbildung von Ordensschwestern auch Schülerinnen, ebenfalls in den Orden einzutreten. Diese Auswirkung wird öfter erwähnt, bedarf aber wohl noch einer differenzierten Untersuchung. In diesem Zusammenhang möchte ich den Blick nochmals auf den Anfang der Liebfrauenschule in Cloppenburg lenken. Den Ordensschwestern war es wichtig, dass ihnen ein Geistlicher zugeordnet wurde, der mit ihnen in der Ordensgemeinschaft die Heilige Messe las und ihnen die Beichte abnahm, damit sie in ihrem Glaubensleben weiter wuchsen und in ihrem Ordensleben gestärkt wurden. Hier entwickelte sich eine selbstverständliche Verzahnung der zuständigen Geistlichkeit der Pfarrkirche mit den Ordensschwestern, wobei beide Bereiche zusammenarbeiten konnten, aber in der Regel voneinander getrennt blieben. Dies erklärt augenfällig, warum die Ordensschwestern zunächst in der Nähe der St. Andreas Pfarrkirche angesiedelt wurden. Die Schwestern hatten so eine einfache Möglichkeit, das Gotteshaus auch für ihre eigenen Gebetszeiten zu nutzen. Die Geistlichen Vikarverwalter Clemens Meistermann und Vikar Holthaus, die ebenfalls an der St. Andreas Pfarrkirche im Jahr 1878 tätig waren, waren die ersten den Ordensschwestern zugeordneten „Beichtväter", wie das Antwortschreiben vom 28. beziehungsweise 29. Mai 1878 des Bischöflich Münsterschen Offizialats auf die oben erwähnte Bitte um einen Beichtpriester für die neu gegründete Schwesternschule in Cloppenburg verdeutlicht. Mit der Bezeichnung „confessarius ordinarius" ( ordentlicher Beichtvater)  oder „confessarius extraordinarius" (außerordentlicher Beichtvater) wurden in der Folgezeit nach 1878 in der Regel für den Zeitraum von drei Jahren dann immer wieder Geistliche auf Anordnung des jeweiligen Offizials den Ordensschwestern zugeordnet.

Die Schwestern richteten, nachdem sie nach 1887 an der Osterstraße ihr neues Domizil fanden, weil sich die Aufgaben der Schule vermehrt und die Schülerinnenzahl sich vergrößert hatte,  im Ordens- und Schulgebäude von 1898 eine größere Hauskapelle ein. Die Praxis eines dem Orden zugeordneten Geistlichen blieb bis Anfang 1990 erhalten.

Geistliches Leben wirkt bis heute fort
Nachdem Anfang August 1994 die Ordensschwestern die Schulträgerschaft in die Hände des Offizialats gelegt haben, gibt es kein geistliches Ordensleben mehr in der Schule. Dennoch lebt der Geist in der christlichen Erziehung junger Menschen in der Schule fort, was sich beispielsweise in vielfältigen Formen von Gottesdienstfeiern zeigt.  Besonders in dem heutigen Meditationsraum der Liebfrauenschule ist die Nähe des  guten Gottes spürbar, der einst die Gründerin des Ordens U. L. Frau, Julie Billiart, inspiriert hat.